Der Katalog

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Die Kataloge

Fassbinder – JETZT. Film und Videokunst

Rainer Werner Fassbinder erklärte im März 1982, drei Monate vor seinem Tod: „Ich glaube nicht an Video […] Ich glaube nicht, dass man durch die Videotechnik den Film ersetzen kann.“ Umgekehrt glaubten die damaligen Videokünstler nicht an das Kino, schreibt Anna Fricke, Kuratorin der Ausstellung Fassbinder – JETZT (6. Mai 2015 bis 23. August 2015) im Martin-Gropius-Bau, in ihrem Beitrag, der begleitend zur Ausstellung erscheint. So hätten sich Wolf Vostell und Nam June Paik in ihrer künstlerisch-kritischen Auseinandersetzung zunächst auf das Fernsehen konzentriert. Bezüge aufs Kino? Fehlanzeige! Das änderte sich grundlegend erst in den 90er Jahren, schreibt Fricke weiter, als bildende Künstler sich beinahe schlagartig begannen, für das Kino zu interessieren.

Film und Videokunst ist der Untertitel der Ausstellung Fassbinder – JETZT, die untersucht, wie sich zeitgenössische Videokünstler heute auf die Themen und ästhetischen Strategien Fassbinders beziehen und ihn so mit der Gegenwart verbinden. In ihrem Beitrag gibt Fricke gleichsam den Rahmen für das Thema der Ausstellung und legt dar, wie sich Video- und andere Bildende Künstler seit den 90er Jahren bis heute mit Fassbinder auseinandersetzen, von Monica Bonvicini über Rirkrit Tiravanija und Brice Dellsperger bis Ming Wong.

FILMSTOFFE Kostüme Barbara BaumWie das Kino und die filmische Ästhetik nach und nach den Weg in die Kunstmuseen gefunden haben, analysiert Ursula Frohne vertiefend an zahlreichen Beispielen in ihrem Text „Expanded Fassbinder – Zum ästhetischen Nachleben des Kinos in der Gegenwartskunst“. Sie macht Cinephilen im Zeitalter der Allgegenwart digitaler Bilder Mut, wenn sie mit Verweis auf Jacques Rancière befindet: „Paradoxerweise gelingt es dem Kino gerade in seinen ,neuen Mischformen‘, die es mit der Kunst in das Museum hinein verlängert, sich zu regenerieren und über sich selbst hinaus zu wirken.“

Der mehr als 300 Seiten starke Katalog bietet Gelegenheit, sich gründlich mit den Themen der Ausstellung zu befassen: In mehreren Kompilationen veranschaulichen Ausschnitte aus Fassbinder-Filmen dessen Themen sowie sein gewaltiges Repertoire an ästhetischen Verfahren. Diese werden vergleichend den Arbeiten von sechs zeitgenössischen Videokünstlern gegenübergestellt. Darüber hinaus erlauben die von der Rainer Werner Fassbinder Foundation Berlin, dem Kooperationspartner der Ausstellung, zur Verfügung gestellten Exponate – Drehbücher, Dokumente, Korrespondenzen, Notizen, Fotos – Einblicke in Fassbinders Denken und Arbeitsweise.

Diesen breiten Themenbogen der Ausstellung bildet der Katalog ab: So beschäftigen sich Autoren wie Brigitte Peucker, Cristina Nord und Thomas Elsaesser in ihren Beiträgen zunächst mit werkanalytischen Themen: „Fassbinder und das Kino der Gegenwart“ (Peucker), „Rainer Werner Fassbinder und das Fernsehen“ (Nord) und „Rückwirkende Voraussicht: Fassbinders DIE DRITTE GENERATION (Elsaesser).

„Formen von Ausschließung, Unterdrückung, Ausbeutung und (Selbst-)Zerstörung. Gewalt und Macht gehören zur Grundausstattung der Gegenwart, wie Fassbinder sie gesehen hat“, schreibt Nisaar Ulama in seinem Text „Geschichten der Gewalt: Wie Tom Geens und Rainer Werner Fassbinder von mögli-cher Gegenwart und konkreter Vergangenheit erzählen“. Dieser untersucht, ausgehend von Fassbinder, Bezüge zwischen Tom Geens Kurzfilm YOU’RE THE STRANGER HERE, in dem dieser eine Gesellschaft der Angst und Unterdrückung zeichnet, und Fassbinders Werk.

Ihren ganz persönlichen Bezug zu Fassbinder und seinem Schaffen beleuchten vier der sechs in der Ausstellung präsentierten Künstler in kurzen Texten: Tom Geens, Maryam Jafri, Jesper Just und Ming Wong. Außerdem in der Ausstellung präsent sind Runa Islam und Jeroen de Rijke / Willem de Rooij. Mit den Werken der Videokünstler setzen sich Ralf Michael Fischer, Bridget Crone, Lilian Haberer, die am Ausstellungsprojekt als kuratorische Assistenz beteiligte Svetlana Svyatskaya sowie Anna Fricke in präzisen Analysen auseinander.

Hans-Peter Reichmann, Archivleiter des Deutschen Filmmuseums, lässt zum Ausklang des Katalogs erahnen, welche Schätze sich unter den tausenden Dokumenten finden, die das Rainer Werner Fassbinder-Archiv hütet, darunter etwa das sichtlich kaputt-benutzte Arbeitsdrehbuch zu LILI MARLEEN (1980) mit zahlreichen handschriftlichen Notizen und Kommentaren des bedeutenden deutschen Nachkriegsregisseurs.

Vervollständigt wird der Katalog, der in deutscher und englischer Ausgabe erscheint, durch eine Filmografie Fassbinders. Eine mehr als 100 Seiten lange Bilderstrecke lässt den Betrachter eintauchen in die Werke der beteiligten Künstler. Sie erlaubt den Vergleich der ästhetischen Verfahren am Einzelbild und macht die bildsprachlichen Bezüge in den Werken der Videokünstler auf Fassbinder sichtbar.

FILMSTOFFE Kostüme Barbara Baum 2FILMSTOFFE – Kostüme Barbara Baum

„Ich denke immer in Stoffen.“ Barbara Baum

Ihre Lebensfreude ist eines ihrer Markenzeichen. Gleich drei der prominenten Autoren, die einen Text zum aktuellen Buch über die Kostümbildnerin Barbara Baum lieferten, erwähnen ihr Lachen, das bei Dreharbeiten zuverlässig ertönte: „Und wer sie in ihrem Kleiderwald nicht gleich sah, brauchte nur dem Lachen nachzugehen, das bei ihr so leicht herausperlte wie Champagner aus einer entkorkten Flasche“, schreibt etwa Hanna Schygulla in ihrem Beitrag. Und dann betonen die meisten Autoren auch schon gleich Barbara Baums beeindruckende Professionalität, ihre akribische Recherche, ihre unerbittliche Leidenschaft fürs Detail: So schildert Juliane Maria Lorenz, wie die Kostümbildnerin sich am ersten Drehtag von Rainer Werner Fassbinders FONTANE EFFI BRIEST (BRD 1972-74) beim allerersten Dreh vor die Kamera stellte und „freundlichst darauf hin[wies], dass noch nicht gedreht werden könne, weil am Halse von Frau Schygulla noch die originale Emaillebrosche […] fehlte“. Fassbinder habe daraufhin kurz geschwankt, ob er wütend werden solle, schildert Lorenz, seine langjährige Lebensgefährtin und Cutterin vieler seiner Filme, doch dann „war diese Szene offensichtlich für ihn eine Offenbarung: Denn eigentlich hatte ihm seine Kostümbildnerin […] vermittelt, was es heißt, seinen Beruf wirklich ernst zu nehmen“.

Zahlreiche Weggefährten, von Michael Ballhaus über Iris Berben und Jessica Schwarz bis Volker Schlöndorff oder Detlev Buck, erinnern sich in kurzen Textbeiträgen an gemeinsame Filmprojekte und heben, wie etwa Regisseur Heinrich Breloer (BUDDENBROOKS, D 2008), hervor, dass Baums Kleider „nicht nur die Zeit sofort gegenwärtig machen, in der die Filme spielen, sondern zugleich etwas vom Innern der Menschen erzählen“. Oder sie bedanken sich wie Armin Mueller-Stahl, der schildert, wie er erst in dem Moment, als er in den Anzug seiner Figur in Fassbinders LOLA schlüpfte, erkannte, was das eigentlich für ein Mensch war: „Da wusste ich, wie ich von Bohm zu spielen hatte: […] Sie ist und bleibt die Beste, mit der ich je gearbeitet habe!“

Die Bewunderung überrascht nicht, kennt man das Credo Barbara Baums: „Wenn ein Kostüm zwar historisch korrekt, der Schauspieler damit aber unglücklich ist, ist es falsch und muss neu durchdacht werden. Das Kostüm muss immer die Rolle unterstüzten – umgekehrt geht es nicht.“

Das Buch wurde gefördert von der Adolf- und Luisa Haeuser-Stiftung.
In Kooperation mit: Rainer Werner Fassbinder Foundation, Hauptstadtkulturfonds

Kataloge:

Fassbinder – JETZT. Film und Videokunst

Herausgeber: Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main und Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin

Kataloggestaltung: Sabine Pflitsch und Andreas Tetzlaff (probsteibooks, Köln)

Verkaufspreis: 25 €

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FILMSTOFFE – Kostüme Barbara Baum

Herausgeber: Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main und Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin

Sprache: Deutsch

Verkaufspreis: 19,80 €

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