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Newsletter April 2016

Carol Todd Haynes Der März wurde von einem traurigen Ereignis überschattet: Rudolf Waldemar Brem – Schauspieler und Weggefährte während Fassbinders früher Schaffensperiode – ist am 17. März im Alter von 67 Jahren verstorben. Brem lernte RWF bereits mit 19 Jahren kennen. Anschließend spielte der kräftige junge Mann mit den blonden Locken und der sonoren Stimme nicht nur in vielen Inszenierungen vom Action-Theater und antiteater mit, sondern stand bis 1974 auch bei zahlreichen Fassbinder-Filmen wie KATZELMACHER und PIONIERE IN INGOLSTADT vor der Kamera. Brem übernahm oft kleinere Rollen, hinterließ durch seine eindringliche Präsenz aber tiefe Spuren bei seinen Auftritten. Neben Fassbinder drehte er auch mit anderen herausragenden Regisseuren wie Jean-Marie Straub, Volker Schlöndorff, Hans-Jürgen Syberberg, Peter Zadek, Ulli Lommel, Wolfgang Petersen und sogar Clint Eastwood. Bis zu seinem Tod blieb Brem ungebrochen produktiv. In TOILET STORIES und TRASH DETECTIVE konnte man ihn gerade noch auf der Leinwand sehen. Vor Kurzem gab er der Zeitung „Die Welt“ ein Interview, in dem er nüchtern in die Vergangenheit blickte. Darin erzählt er auch, wie er einst auf Fassbinders Grab einen Vogelbeerbaum gepflanzt hat, aus dessen Beeren er jeden Sommer eine Marmelade kochte. Jeder Jahrgang wurde dabei nach einem Film von RWF benannt. IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN sollte seine letzte Marmelade werden. (Nachlesen kann man das schöne Interview hier: http://www.welt.de/kultur/kino/article153723512/Fassbinder-war-ein-ADHS-Kind.html.)

Eine erfreuliche Nachricht erreichte uns dagegen, als wir erfuhren, dass die Produzentin Regina Ziegler demnächst gleich mit zwei Preisen ausgezeichnet wird – am 16. April in Wien mit der Platin-Romy für ihr Lebenswerk und am 27. Mai in Berlin mit der Ehren-Lola für ihre Verdienste um den deutschen Film. Bevor Ziegler sich überwiegend auf die Arbeit fürs Fernsehen konzentrierte, bot sie mit ihrer 1973 gegründete Firma Regina Ziegler Filmproduktion vielen jüngeren Regisseuren eine Plattform. Unter ihnen befand sich auch ihr späterer Ehemann Wolf Gremm, der mit KAMIKAZE 1989 und RAINER WERNER FASSBINDER – LETZTE ARBEITEN zwei Filme drehte, in denen RWF vor der Kamera stand. Die Begründung der Deutschen Filmakademie für die Auszeichnung sowie den ausführlicheren Werdegang von Regina Ziegler kann man hier nachlesen: http://www.deutsche-filmakademie.de/no_cache/herzlich-willkommen/aktuelles/meldung.html?.

Für alle, die im Januar die Berliner Ausstellung „Films of My Youth – Fassbinder – Pasolini – Warhol“ von Rinaldo Hopf verpasst haben, gibt es nun die Möglichkeit, sich die Bilder online anzusehen (https://issuu.com/theballeryberlin/docs/films_of_my_youth_brochure/1). Hopf lässt in seinen Gemälden prägende Kino-Erlebnisse aus seiner Jugendzeit wieder aufleben und überhöht sie zu teils bedrohlichen, teils sexuell stark aufgeladenen Szenarien. Ab Seite 19 sind mehrere Bilder versammelt, die Momente aus Fassbinders Filmen aufgreifen – etwa einen Akt des Regisseurs aus FAUSTRECHT DER FREIHEIT, eine in düsteren Brauntönen gehaltene Sex-Szene zwischen Brad Davis und Günther Kaufmann aus QUERELLE oder idealisierte Porträts von Irm Hermann, Hanna Schygulla, Peter Chatel, Harry Baer und Rainer Will.

Nicht virtuell, sondern ganz leibhaftig kann man sich vom 28. April bis zum 15. Mai eine Ausstellung von Burkhard Driest und Catherine Lorent im artloft.berlin ansehen. (Mehr Informationen gibt es hier: http://artloft.berlin/burkhard-driest-querelle/.) Gezeigt werden 11 großformatige Acryl- und Ölgemälde aus Driests Querelle-Zyklus sowie 10 Zeichnungen, die etwa den Surrealisten Jean Cocteau als Matrosen zeigen. Im Hinblick auf Parallelen zwischen Fassbinder und der bildenden Kunst gibt es aktuell auch einen interessanten Artikel, den Georg Seeßlen für den Freitag geschrieben hat. In seinem Porträt des Zeichners und Grafikers Horst Janssen schreibt Seeßlen über den Künstler: „In der deutschen Nachkriegskultur ist dieser manische, vaterlose, liebesbedürftige und boshafte, der zerstörerische und selbstzerstörerische, von Drogen und Schlaflosigkeit gequälte Mensch nur mit einem zu vergleichen: mit dem Filmemacher Rainer Werner Fassbinder, der ähnlich einen Zirkel um sich scharte, den er manipulierte, kränkte, gegeneinander ausspielte und doch brauchte.“ Der gesamte Text ist hier verfügbar: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/rainer-werner-janssen.

Der Einfluss, den Fassbinder auf Zeitgenossen, aber auch nachfolgende Generationen an Künstlern hatte und immer noch hat, lässt sich immer wieder beobachten. Zum Beispiel auch bei dem amerikanischen Filmemacher Todd Haynes. Der stellte 2012 auf dem Münchner Filmfest Fassbinders DESPAIR – EINE REISE INS LICHT vor und sprach dabei über seine Faszination für den deutschen Regisseur. Am 22. April erscheint nun Haynes‘ letzter Film CAROL auf DVD und Blu-ray. Mit der Geschichte über eine heimliche Frauenliebe in den 1950er Jahren beschwört er, ähnlich wie Fassbinder, die Künstlichkeit klassischer Melodramen herauf, nutzt dabei auch das sozialkritische Potenzial des Genres.

Eine gute Gelegenheit, um sich von der Zeitlosigkeit von Fassbinders Melodramen wie DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT, ANGST ESSEN SEELE AUF und FAUSTRECHT DER FREIHEIT zu überzeugen, bietet eine kürzlich bei Arrow Video erschienenen Blu-ray-Box (erhältlich hier: http://www.arrowfilms.co.uk/shop/index.php?route=product/product&product_id=643). Das renommierte Festival Il Cinema Ritrovato in Bologna, das jedes Jahr die besten Heimkino-Veröffentlichungen kürt, nahm die Box in ihre aktuelle Shortlist auf.

Eine spannende Veranstaltung gibt es am 30. April um 18:00 Uhr im Münchner Haus der Kunst. Der Autor Tobias Pettersson und der Filmemacher Alexander Kluge werden sich dort über die Musikgruppe Amon Düül II unterhalten. Neben Bands wie Can, Faust, Neu! und Cluster gelten sie als Vertreter einer experimentellen Rockmusik aus Deutschland, die häufig unter der Bezeichnung Krautrock zusammengefasst werden. Amon Düül II zeichnen auch für den Soundtrack von DIE NIKLASHAUSER FART verantwortlich, den Fassbinder gemeinsam mit Michael Fengler entwickelte. Neben dem Gespräch wird im Haus der Kunst auch der neue Film von Alexander Kluge über Improvisation gezeigt, der laut Programm „eigens für den Abend produziert wurde und als Welturaufführung gezeigt wird. Er beinhaltet Reflexionen über die Improvisation in Film, Musik und Oper“. Karten gibt es hier: http://www.hausderkunst.de/agenda/detail/the-sound-and-vision-of-amon-dueuel-ii/.

Grund zum Feiern gibt es am 21. April, wenn Xaver Schwarzenberger seinen 70. Geburtstag feiert. Nachdem der österreichische Kameramann und Regisseur in den 1970er Jahren überwiegend fürs Fernsehen arbeitete – unter anderem für Axel Corti und Bernhard Wicki – begann er mit BERLIN ALEXANDERPLATZ eine produktive Zusammenarbeit mit Fassbinder, die mit LILI MARLEEN, LOLA, DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS und QUERELLE fortgesetzt wurde.

Wir gratulieren Xaver Schwarzenberger herzlich zu seinem Jubiläum.

Zum Abschluss noch ein kurzer Veranstaltungshinweis: Die bereits im letzten Newsletter angekündigte Präsentation des Buches „Das TAT. Das legendäre Frankfurter Theaterlabor“ wird nun am 10. Mai um 20:00 Uhr auf der Probebühne des Berliner Ensembles stattfinden. Neben den Herausgebern Sabine Bayerl, Karlheinz Braun und Ulrike Schiedermair werden unter anderem auch BE-Intendant Claus Peymann sowie der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann anwesend sein. Die Publikation enthält ein umfangreiches Kapitel zu Fassbinders Frankfurter Intendanz. Der Vorverkauf beginnt am 15. April. (Karten gibt es hier: http://www.berliner-ensemble.de/kasse.)

Wir wünschen unseren Freunden und Lesern einen schönen April und melden uns im Mai wieder mit Neuigkeiten aus der Welt von Rainer Werner Fassbinder.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/

Foto links: Rudolf Waldemar Brem und Lilith Ungerer in KATZELMACHER, © Filmverlag der Autoren
Foto rechts: CAROL, © DCM Filmdistribution

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