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Newsletter August 2016

Eva Mattes in “Fieber”Am 20. Juli gab es ein Jubiläum: Kurt Raab wäre an diesem Tag 75 Jahre alt geworden. Wer den Schauspieler einmal auf der Leinwand sah, hat ihn so schnell nicht wieder vergessen. Er schien irgendwie aus der Zeit gefallen. Sein markant rollendes R erinnerte an eine vergangene Schauspiel-Ära und wenn er sprach, dann deklamierte er regelrecht. In seinen Rollen war er oft so fiebrig und überkandidelt, wie man es im deutschen Kino nur selten zu sehen bekam.
Fassbinder traf Kurt Raab im legendären, von Ursula Strätz geleiteten Action-Theater. Raab, der damals noch als freier Requisiteur arbeitete, saß dort abends an der Theaterkasse. Bald darauf besetzte RWF ihn in seinen Stücken und ersten Regiearbeiten für die antiteater-X-Film. Unvergessen bleiben etwa seine Kurzauftritte in LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD und FAUSTRECHT DER FREIHEIT sowie seine grenzüberschreitenden Hauptrollen in WARUM LÄUFT HERR R. AMOK und SATANSBRATEN. Und auch als Ausstatter, Regieassistent und Mitarbeiter bei zwei Drehbüchern trat Raab in Erscheinung, bevor die Zusammenarbeit mit Fassbinder nach dem zweiteiligen TV-Film BOLWIESER ein Ende fand. Raab verdankte RWF viel, litt aber auch unter seiner Abhängigkeit zu ihm. Über seine Zeit mit dem Regisseur schrieb er das ebenso gehässige wie frappierend offene Buch „Die Sehnsucht des Rainer Werner Fassbinders“. Geschont wurde darin niemand – am allerwenigsten er selbst.

Raab konnte sich auch ohne Fassbinder einen Namen machen. Er spielte unter Werner Schroeter, Ulli Lommel, Ulrike Ottinger, Reinhard Hauff und Helmut Dietl, sang mit der Punk-Band Die Toten Hosen und drehte einen Exploitationfilm mit dem Titel DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE. Bis zu seinem Tod im Jahr 1988 suchte er das Rampenlicht. Die körperlichen Leiden und die gesellschaftliche Ächtung, die er aufgrund seiner AIDS-Erkrankung erfuhr, wurden in Herbert Achternbuschs bösartiger Satire WOHIN? und in Hans Hirschmüllers Dokumentarfilm SEHNSUCHT NACH SODOM thematisiert. Zu seinem 75. Geburtstag erscheint nun im Historischen Jahrbuch von Raabs Heimatstadt Straubing ein umfangreicher Aufsatz von Wolfgang Hammer, der sich dem Leben und Schaffen Raabs widmet. Unter anderem geht es darin um das gespaltene Verhältnis des Schauspielers zum Katholizismus.

Wer seine Bücher mitterweile lieber auf dem Tablet liest, dem wollen wir eine Veröffentlichung aus dem Hause Rowohlt ans Herz legen. Am 26. August erscheint dort Michael Tötebergs Fassbinder-Monografie als E-Book. Der Filmwissenschaftler war bereits bei mehreren RWF-Publikationen als Autor und Herausgeber tätig – unter anderem bei den Drehbucheditionen, die im Verlag der Autoren erschienen sind. Die digitale Version seiner Monografie enthält zwar aus rechtlichen Gründen leider kein Bildmaterial, ist dafür aber schon zum Preis von 3,99 Euro auf der Website des Verlags erhältlich (siehe hier: http://www.rowohlt.de/taschenbuch/michael-toeteberg-rainer-werner-fassbinder.html). Dort ist auch die klassische Taschenbuchausgabe verfügbar.

Fassbinder kennt keine Sommerpause. Das Goethe-Institut in Mexiko widmet dem Regisseur vom 24. August bis zum 4. September eine Retrospektive. Neben einer Auswahl überwiegend neu digitalisierter Filme steht auch Volker Schlöndorffs BAAL – in dem RWF die Hauptrolle spielt – auf dem Programm. Ergänzend zur Filmreihe wird es auch zwei große Diskussionspanels geben, die sich mit der Subversion des Melodrams sowie dem Zusammenhang von Sex und Politik beschäftigen. Außerdem wird der Sender Radio Educación neue Fassungen der Hörspiele „Ganz in Weiß“, „Keiner ist böse und keiner ist gut – Ein Versuch über Science Fiction“ und „Iphigenie auf Tauris von Johann Wolfgang Goethe“ produzieren und sie damit zum ersten Mal einem spanischsprachigen Publikum zugänglich machen. Die Retrospektive markiert den Abschluss, der am 11. August startenden Deutschen Filmwoche Mexiko, bei der auch Annekatrin Hendels Dokumentarfilm FASSBINDER gezeigt wird. Die genauen Termine finden Sie ab Anfang August auf dieser Seite:
http://www.goethe.de/ins/mx/de/lp/kul/sup/f15.html

Vom 13. bis zum 18. September zeigt das New Yorker Museum of Modern Art eine 35mm-Kopie der Fernsehserie BERLIN ALEXANDERPLATZ, die Filmkritiker Andrew Sarris einmal als „den Mount Everest des modernen Kinos“ bezeichnet hat. Die Restaurierung der Kopie wurde von Kameramann Xaver Schwarzenberger federführend als Künstlerischer Leiter und Juliane Maria Lorenz als Produzentin betreut. Mehr Informationen zur Veranstaltung gibt es hier: http://press.moma.org/2016/06/moma-presents-berlin-alexanderplatz/

Auch in Deutschland lohnt es sich ins Kino zu gehen: Am 11. August startet Elfi Mikeschs neuester Film FIEBER, der seine Premiere vor zwei Jahren auf der Berlinale feierte. Die Handlung dreht sich um eine Fotografin, die sich auf eine schmerzhafte Reise in die Vergangenheit begibt. Dabei versucht sie das Leid ihres unberechenbaren und nervenkranken Vaters zu verstehen, der einst als Fremdenlegionär im Maghreb stationiert war. In der Hauptrolle ist niemand Geringeres als Eva Mattes zu sehen, die schon im zarten Alter von 17 Jahren mit Fassbinder zusammengearbeitet hat. Elfi Mikesch war als Kamerafrau bereits an mehreren Dokumentarfilmen über RWF beteiligt, unter anderem an Rosa von Praunheims FÜR MICH GAB’S NUR NOCH FASSBINDER. Einen Trailer von FIEBER kann man sich hier ansehen: http://www.eastwest-distribution.com/film/fever/

Am 1. August wird sich die Fassbinder Foundation in die Sommerferien verabschieden. Ab dem 6. September sind wir dann wieder ganz für Sie da und werden in unserem nächsten Newsletter die Highlights der kommenden Theatersaison vorstellen. Dabei wird es ein Wiedersehen mit Patrick Wengenroth, Thomas Ostermeier und Irm Hermann geben sowie einen Ausblick auf eine Produktion des Regisseurs und Choreographen Michael Laub mit dem Arbeitstitel „Fassbinder, Faust and the Animist we don’t know much about, in Cambodia project“. Wir sind schon sehr gespannt darauf und wünschen unseren Lesern und Freunden bis dahin eine schöne Zeit.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/ DE
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/?lang=en EN
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/?lang=fr FR
Foto links:
Foto rechts: Eva Mattes in „Fieber“ © Barnsteiner Film

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