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Newsletter Februar 2018

Auch in den folgenden Wochen grassiert in den USA noch das Fassbinder-Fieber. Zwischen dem 14. und dem 27. März läuft im New Yorker Film Forum die restaurierte Fassung der Arbeiter-Fernsehserie ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG. Präsentiert wird sie in drei Teilen, die man sich entweder an verschiedenen Tagen oder am Wochenende im Rahmen eines Marathon-Screenings ansehen kann. Mehr Informationen zu den Spielzeiten und Ticketpreisen gibt es hier: https://filmforum.org/film/eight-hours-dont-make-a-day-film

Das Film Forum in Manhattan existiert seit 1970 als gemeinnütziges Kino. Mit seinen drei Sälen und keinem einzigen Ruhetag im Jahr zählt es zu den wichtigsten amerikanischen Lichtspielhäusern für unabhängige Filme und Autorenkino. Geleitet wird es seit 1972 von Karen Cooper. Für das Programm ist Kurator Bruce Goldstein verantwortlich. Und während andere Kinos im Streaming-Zeitalter ihre Pforten schließen müssen, bekommt das Film Forum in diesem Jahr sogar noch einen weiteren Saal. Näheres zu dem geplanten Anbau kann man im folgenden Artikel aus dem New Yorker nachlesen: https://www.nytimes.com/2017/09/04/movies/film-forum-new-york-city-upgrade.html

Vom 11. April bis zum 13. Mai lässt sich Fassbinders Werk auch in einem Kino neu- und wiederentdecken, das auf eine noch viel längere Geschichte zurückblicken kann. Die vom Filmarchivar Henri Langlois und dem Regisseur Georges Franju gegründete Cinémathèque française zeigt eine vollständige RWF-Retrospektive, die letzte dieser Art in Paris war 2005 im Centre Pompidou zu sehen. Der Filmkritiker Jean-François Rauger kuratierte die Reihe in Zusammenarbeit mit dem Verleih und Heimkino-Vertrieb Carlotta Films, mit dem die Fassbinder Foundation seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Gegründet wurde Carlotta Films 1998 von Jean-Pierre Gardelli und Vincent Paul-Boncour. Mit Letzterem gibt es hier ein kurzes Interview über seine Verleihtätigkeit: https://festival.ilcinemaritrovato.it/il-cinema-ritrovato-book-fair-interview-with-vincent-paul-boncour-carlotta-films

Der Theaterkritiker C. Bernd Sucher hat ein Buch mit 49 „leidenschaftlichen“ Film-Empfehlungen geschrieben. Darunter befindet sich auch ein Kapitel, das Fassbinders QUERELLE gewidmet ist. Dort heißt es etwa: „Nicht was passiert, ist von Bedeutung, sondern wie es dargestellt wird: Begierde, Liebe, Verrat, Mord. Fassbinder will Distanz, so etwas wie eine Brechtsche Verfremdung; deshalb ging er ins Studio und nicht nach Brest auf ein Schiff; deshalb gibt es einen nüchternen, kommentierenden Erzähler; deshalb wird es nie Nacht, nie Tag – immer dämmert ein gefährliches, orangefarbenes Licht –; […] Fassbinder diskutiert mit diesem Film, was Leben ist, und ob es überhaupt sowas wie ein freies Leben geben kann.“ Das Buch erscheint am 1. März und kann unter anderem auf der Seite des Droemer Verlags erworben werden: https://www.droemer-knaur.de/buch/9558479/suchers-welt-film

Einige von Fassbinders Zeitgenossen tauchen in Dominik Grafs und Johannes F. Sieverts Dokumentation OFFENE WUNDE DEUTSCHER FILM auf. Es geht darin um ein nationales Kino, das wilder, unberechenbarer und wagemutiger war, heute aber kaum noch bekannt ist. Unter den zahlreichen Gesprächspartnern befinden sich etwa der Filmproduzent Arthur Brauner, Regisseure wie Klaus Lemke, Eckhart Schmidt und Roland Klick sowie der Schauspieler Mario Adorf. Gemeinsam wundern sie sich darüber, was in den 1960er und -70er Jahren noch alles möglich war, und gehen der Frage nach, warum man sich heute in Deutschland so schwer tut mit spannenden Fernsehproduktionen und anspruchsvollem Genrekino. Der WDR strahlt den Film am 5. März um 23:00 Uhr aus.

Zum Abschluss noch eine traurige Meldung: Am 13. Februar ist der deutsche Regisseur und Bühnenbildner Wilfried Minks im Alter von 87 Jahren verstorben. Legendär war vor allem seine Zusammenarbeit am Bremer Theater, wo er in den 1960er Jahren mit dem Intendanten Kurt Hübner und dem Regisseur Peter Zadek zusammenarbeitete. Der sogenannte Bremer Stil, den Minks mitkreierte, war kühl, minimalistisch und orientierte sich weniger am Theater als an der zeitgenössischen Kunst. Mit Fassbinder arbeitete Minks 1971 an der Inszenierung von „Bremer Freiheit“. Aus der Spielfläche machte er ein schwarzes Kreuz.

Wir wünschen unseren Freunden und Lesern einen schönen Winterausklang und melden uns Ende März wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.

 

Foto links: BREMER FREIHEIT © Deutsches Theatermuseum München/Ilse Buhs

Foto rechts: ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG © Rainer Werner Fassbinder Foundation

 

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