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Newsletter Januar 2017

Die Berlinale steht schon wieder vor der Tür. Vom 9. bis zum 19. Februar wird der Potsdamer Platz ein weiteres Mal zum Mekka der Filmwelt. Und auch diesmal gibt es einige Programmpunkte, die wir unseren Lesern ans Herz legen möchten – allen voran die Premiere der restaurierten Fassung von Fassbinders Arbeiter-Fernsehserie ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG. Der Filmwissenschaftler Thomas Elsaesser bezeichnete sie in seiner Fassbinder-Monografie als herausragendes Beispiel eines „mutigen, aber auch kurzlebigen Versuchs, das öffentlich-rechtliche Fernsehen der Bundesrepublik für Darstellungen der sozialen Realität zu öffnen. […] Die fünf Folgen sind gleichermaßen kritisch wie unterhaltsam, greifen typische Themen auf, lassen aber auch Raum für Fantasien von einem besseren und selbstbewussteren Leben für diejenigen, die die Hauptlast des ‚Wirtschaftswunders‘ zu tragen hatten.“ Am 13. Februar erscheint ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG außerdem als DVD und Blu-ray bei Studiocanal. Mehr Informationen zur Veröffentlichung sind auf der Website des Verleihs zu finden: http://www.studiocanal.de/blu-ray/fassbinders_acht_stunden_sind_kein_tag-blu-ray

In der Berlinale-Sektion Forum läuft ein neuer Film von Nicolas Wackerbarth, den man vor allem aus dem Umkreis der Berliner Schule und als Mitherausgeber der Zeitschrift Revolver kennt. Laut Pressemitteilung geht es in CASTING um „Selbstentblößung und Allüren, Ängste und Machtspielchen.“ Die Handlung dreht sich um ein von zahlreichen Schwierigkeiten begleitetes Filmprojekt, das auf Fassbinders DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT basiert. CASTING entstand größtenteils aus improvisierten Szenen und versammelt unter anderem Schauspieler wie Andreas Lust, Ursina Lardi, Corinna Kirchhoff und Andrea Sawatzki vor der Kamera. Mehr Informationen dazu gibt es auf der Website des SWR: http://www.swr.de/film/casting-von-nicolas-wackerbarth-filmisches-experiment/-/id=5791128/did=17485502/nid=5791128/1y6efwy/index.html

Die Sektion Panorama zeigt ein weiteres Highlight: FÜNF STERNE, den neuen Dokumentarfilm von Annekatrin Hendel. Die minimalistische Grundsituation beschränkt sich auf „zwei Freundinnen und eine Kamera“. Hendels Regiearbeit ist ein „Abenteuer, das aus dem engen Wirklichkeitsausschnitt von 40 Quadratmetern eines Grand-Hotels am Meer erzählt. Der Film zeigt, wie schwer es manchmal ist, Intimsphäre und Öffentlichkeit zu trennen, wenn man ‚am Netz hängt‘. Wie das Internet zur Droge wird und was passieren kann, wenn man sich in die Irre führen lässt auf der Suche nach Liebe und ein paar ‚Shares & Likes‘.“ Am 8. Februar um 22:00 Uhr läuft außerdem Hendels von der RWFF koproduzierter Dokumentarfilm FASSBINDER auf ARTE.

Auch für alle, die es nicht auf die Berlinale schaffen, gibt es im Februar gute Gründe, ins Kino zu gehen: Am 23. Februar startet mit LOVING der neue Film von Jeff Nichols. Dem amerikanischen Independentkino ist der Regisseur mittlerweile entwachsen und hat diesmal einen sehr sehenswerten Film über ein Pärchen gemacht, dem es – weil er weiß ist und sie schwarz – in den Südstaaten der 1950er Jahre nicht möglich ist, zu heiraten. Ähnlich wie in Fassbinders ANGST ESSEN SEELE AUF wird eine Liebe, die nicht den gesellschaftlichen Konventionen entspricht, auf eine harte Probe gestellt. Während Fassbinder das Problem durchaus auch bei den Liebenden selbst sieht, ist es bei Nichols ausschließlich eine bigotte Gesellschaft, die der Beziehung immer wieder neue Steine in den Weg legt. Einen Trailer zum Film kann man sich hier ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=dBVrt1OY40Y

Am 16. Februar startet außerdem die neueste Regiearbeit von Paul Verhoeven. Mit ELLE hat der holländische Regisseur einen ebenso komischen wie provokanten Erotikthriller über eine Frau gedreht, die sich nach einer Vergewaltigung auf ein gefährliches Rollenspiel mit ihrem Peiniger einlässt. Obwohl Verhoeven vor allem als Genre-Regisseur aus Hollywood bekannt ist – und damit denkbar weit entfernt von Fassbinder –, finden sich im Werk der Regisseure zahlreiche Parallelen. Beide erzählen von emotionaler Ausbeutung, der Instrumentalisierung von Liebe und Sex, der erdrückenden Macht faschistischer Systeme sowie von den unmenschlichen Bedingungen einer kapitalistischen Welt. Blickt man erst einmal unter die Oberfläche, sind sich Figuren wie Maria Braun und die Tänzerin Nomi aus Verhoevens SHOWGIRLS gar nicht so unähnlich: Als selbstbestimme Frauen lernen sie schnell, dass man das System nur bekämpfen kann, wenn man seine Spielregeln befolgt. Einen Trailer zu Verhoevens ELLE gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=oJSMpzBiL80 DE

https://www.youtube.com/watch?v=fRrqjv1a0SY

Eine von Fassbinders Regiearbeiten gibt es auf der Leinwand des Berliner Kinos Arsenal zu sehen, das sich im Rahmen seiner monatlichen Magical History Tour dem Thema „Körper“ widmet. Neben Filmen von Boris Barnet, Claire Denis und Tod Browning wird dort am 4. und am 9. Februar IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN zu sehen sein und damit – laut Programmheft – „19 Fragmente des Unglücks, der Zurückweisung, der Krise, die sich in einen zunehmend versehrten Körper einschreiben“. Zur Website des Arsenals geht es hier: http://www.arsenal-berlin.de/home.html

Eine alte Bekannte aus Fassbinders Werk gibt es Ende Januar live zu erleben. Erst im Dezember hatte Eva Mattes ihren letzten Einsatz als TATORT-Kommissarin Klara Blum. In der Episode WOFÜR ES SICH ZU LEBEN LOHNT standen neben Mattes auch Irm Hermann, Hanna Schygulla und Margit Carstensen vor der Kamera. Zu diesem Anlass hat die Süddeutsche Zeitung mit den Fassbinder-Diven ein Interview geführt, das man hier nachlesen kann: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/45294/Das-Klassentreffen

Leider ist das Gespräch nur mit einer SZ-Plus-Mitgliedschaft oder einem Probeabo verfügbar. Ein frei verfügbares Interview mit Schygulla, Mattes und Regisseurin Aelrun Goette kann man dafür auf der Seite von Deutschlandradio Kultur wahlweise nachhören oder -lesen: http://www.deutschlandradiokultur.de/vier-fassbinder-darstellerinnen-in-einem-tatort-ein.2168.de.html?dram:article_id=373000

Am 29. Januar ist Eva Mattes um 19:30 Uhr live im Studio der Akademie der Künste am Pariser Platz zu sehen. Das Programm „Werft eure Herzen über alle Grenzen“ ist eine literarisch-musikalische Zeitreise über „Liebe und Heimat, Flucht und Exil“ – unter anderem mit Werken von Kurt Weill, Heinrich Heine und Wolf Biermann. Karten für 15 Euro (ermäßigt 12 Euro) kann man entweder online hier kaufen http://www.adk.de/de/programm/?we_objectID=56267 oder unter der E-Mail-Adresse ticket@adk.de reservieren.

 

Wir wünschen unseren Lesern und Freunden eine spannende Zeit auf der Berlinale, im Kino oder auch sonst wo und melden uns im Februar wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:

http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/

Foto links: Irm Hermann und Hanna Schygulla in ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG © Rainer Werner Fassbinder Foundation

Foto rechts: Isabelle Huppert in ELLE © SBS Productions, Twenty Twenty Vision Filmproduktion, France 2 Cinéma & Entre Chien et Loup

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