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Newsletter März 2016

Mittlerweile hört man öfter von Kinos, die schließen, als von solchen, die neu eröffnen. Dabei trifft diese Entwicklung vor allem kleinere Programmkinos. Doch ein Blick nach New York macht Mut. Dort hat mit dem Metrograph gerade ein Lichtspielhaus eröffnet, das sich als Treffpunkt einer cinephilen Gemeinde versteht und neben einem Kinosaal auch über einen Buchladen und ein Café verfügt. Das Besondere am Metrograph ist, dass es sich nicht nur überwiegend auf historische Reihen konzentriert, sondern sein ambitioniertes Programm auch fast ausschließlich mit 35mm-Kopien bestreitet.

Vom 22. bis zum 28. April wird dort eine posthume Carte blanche für Rainer Werner Fassbinder präsentiert (das genaue Programm gibt es hier: http://metrograph.com/series/series/13/fassbinders-top-10). Gezeigt werden dabei zehn Werke, die Fassbinder kurz vor seinem Tod als seine Lieblingsfilme bezeichnete. Auf seiner Top Ten befinden sich zum Beispiel Josef von Sternbergs Spionagefilm ENTEHRT, Nicholas Rays hochemotionaler Technicolor-Western JOHNNY GUITAR, Pier Paolo Pasolinis kompromissloser DIE 120 TAGE VON SODOM sowie Wassili Schukschins ROTER HOLUNDER, der von der schwierigen Resozialierung eines ehemaligen Kriminellen erzählt und außerhalb seiner russischen Heimat kaum bekannt ist.

Zwei Wochen früher bietet sich in New York die Gelegenheit, Annekatrin Hendels von der RWFF koproduzierten Dokumentarfilm FASSBINDER zu sehen. Neben unveröffentlichtem Archivmaterial enthält dieser auch Gespräche mit
ehemaligen Weggefährten wie Margit Carstensen, Wolf Gremm und Juliane Maria Lorenz über die gemeinsame Zeit mit Fassbinder. Die Vorführungen werden am 8. und 9. April im Rahmen des deutschen Filmfestivals Kino 2016! stattfinden. Die Regisseurin sowie der Kameramann Martin Farkas werden anwesend sein. Nähere Informationen finden sich auf der Festival-Website: http://www.kinofestivalnyc.com/schedule2016/.

Hanna Schygulla, die ebenfalls in FASSBINDER vor der Kamera steht, ist auch in der aktuellen Ausgabe des SZ-Magazins zu sehen. In der populären Foto-Reihe „Sagen Sie jetzt nichts“ beantwortet die Schauspielerin und Sängerin pantomimisch zehn Fragen. Eine über ihren „Lebensregisseur“ ist natürlich auch mit dabei. Das „Interview ohne Worte“ kann man sich hier anschauen: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/44306/Sagen-Sie-jetzt-nichts-Hanna-Schygulla.

1974 folgte Hanna Schygulla Fassbinder im Gegensatz zu Kollegen wie Irm Hermann, Brigitte Mira, Karlheinz Böhm oder Volker Spengler nicht ans Frankfurter Theater am Turm. Zwar übernahm RWF dort nur für acht Monate die Leitung, hinterließ mit einer turbulenten Spielzeit aber deutliche Spuren. Seine letzte Inszenierung sollte die Uraufführung von „Der Müll, die Stadt und der Tod“ werden, die jedoch wegen Protesten abgesagt werden musste (nachzulesen im kürzlich herausgegebenen Sammelband „Der Müll, die Stadt und der Skandal“: http://www.fassbinderfoundation.de/der-muell-die-stadt-und-der-skandal/.
Am 21. März erscheint nun mit „Das TAT. Das legendäre Frankfurter Theaterlabor“ im Henschel Verlag ein Buch, das sich mit der Geschichte des Theaters beschäftigt (hier kann man es erwerben: http://www.seemann-henschel.de/Buch/9783894877859-Das-TAT). Bevor das TAT im Jahr 2004 aus Kostengründen schließen musste, war es eine Plattform für gesellschaftskritische Stücke und neue Bühnenformen. Die Publikation versammelt neben zahlreichen Fotos auch Archivbeiträge und Plakatentwürfe.

Am 14. April um 19 Uhr wird das Buch im Bockenheimer Depot vorgestellt. Die Schauspieler Andreas Wellano und Angelika Sieburg werden zunächst einige Auszüge lesen, danach gehen Heiner Goebbels, Hans-Thies Lehmann, Cornelia Niemann und Tom Stromberg in einem Gespräch der Frage nach: „Wem fehlt das TAT?“ Anfang Mai wird es eine weitere Präsentation im Berliner Ensemble geben. Der genaue Termin dafür wird noch bekannt gegeben.

Eine weitere interessante Publikation ist bereits erschienen: eine aktualisierte Ausgabe der Literaturzeitschrift „TEXT+KRITIK“, die sich ausschließlich mit RWF beschäftigt. Seit 1963 widmet die Redaktion jedes Heft einem Autor aus dem deutschsprachigen Raum. Bei Fassbinder geht es ausnahmsweise fast nur um das filmische Werk. Die enthaltenen Texte behandeln unter anderem die libidinöse Ökonomie in BERLIN ALEXANDERPLATZ, die Sozialutopie in der Fernsehserie ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG sowie eine Gegenüberstellung mit den Filmemachern Fatih Akin und Oskar Roehler. Hier kann man das Inhaltsverzeichnis einsehen und das Heft bestellen: http://www.etk-muenchen.de/search/Details.aspx?sort=1&q=&ISBN=9783869164366.

Zum Abschluss noch der Hinweis auf einen aktuellen Kinostart. Udo Kier, der auch mehrere Male mit Fassbinder zusammenarbeitete, ist ab dem 7. April in THE FORBIDDEN ROOM zu sehen. Der kanadische Regisseur Guy Maddin lässt in seinen verschrobenen und poetischen Filmen die Kino-Ästhetik vergangener Tage aufleben. So auch in seinem neuesten, gemeinsam mit Evan Johnson gedrehten Werk. Wie bei einer Matroschka-Puppe bilden sich im Laufe des Films immer wieder neue, wahnwitzige Erzählungen. Udo Kier ist dabei gleich in fünf verschiedenen Rollen zu sehen. Hier geht es zur Website des Films, auf der sich auch ein Trailer befindet: http://theforbiddenroom-film.com/.

Wir wünschen all unseren Lesern und Freunden noch einen anregenden März und erholsame Osterfeiertage.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/

Eine Liste mit ausgewählten Bühneninszenierungen von RWF:
http://www.fassbinderfoundation.de/theaterregie/

Foto links: Cover der TEXT+KRITIK
Foto rechts: Udo Kier in THE FORBIDDEN ROOM, © Galen Johnson

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