Newsletter November 2018
Gerade ging die große Fassbinder-Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum zu Ende. Dabei war in Wien neben RWFs Werk unter anderem auch Nicolas Wackerbarths Satire CASTING (2017) zu sehen, die von den Erniedrigungen und Machtspielen rund um eine Fernsehadaption von „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ erzählt.
Auf dem empfehlenswerten Blog des Filmmuseums erzählt der Regisseur von den Schwierigkeiten, sich heute mit einem zum Mythos gewordenen Künstler wie Fassbinder auseinanderzusetzen, aber auch von der Freiheit, die sich darin verbirgt: „Es gibt auf der ganzen Welt hunderte Petra von Kants. Vielleicht erschien mir auch deshalb die Umsetzung nicht wie das Schlachten einer heiligen Kuh. Ich komme selbst vom Theater. Für mich war das erstmal ein Text. Und ich hatte Fassbinder in meinem Leben zuerst als Schriftsteller wahrgenommen. […] Das hilft, um ihn nicht als unantastbaren Heiligen anzusehen, sondern als jemand, der selbst auch mit fremden Textmaterial gearbeitet hat.“ Das gesamte Interview kann man hier nachlesen: http://blog.filmmuseum.at/liebst-du-mich-ein-gesprach-mit-nicolas-wackerbarth-zu-casting-und-rainer-werner-fassbinder/
Bereits im Sommer hatten wir auf einen Ausschnitt aus dem Wiener Publikumsgespräch hingewiesen, das anlässlich der Vorführung von FAUSTRECHT DER FREIHEIT (1975) stattfand. Mittlerweile gibt es das sehenswerte Video auch in voller Länge: https://www.youtube.com/watch?v=CkFfJZIf9hM&feature=youtu.be
Zur Lektüre möchten wir außerdem einen Text von Alexander Horwath empfehlen, dem früheren Leiter des Österreichischen Filmmuseums und einem unermüdlichen Kämpfer für Filmkultur und analoges Kino. In einem Essay, der im Kulturmagazin Perlentaucher erschienen ist, schreibt er über das Versprechen des Kinos und über den Traum, „dass sich das Leben auf der Leinwand dem Dasein ‚dort draußen‘ ganz und gar öffnen möge.“ Mit Hinweis auf Fassbinder betont er jedoch, dass es dabei nicht darum gehen dürfe, „das Phantasma der Authentizität und Unmittelbarkeit […] zu bedienen. Es gibt kein ‚wahres‘ Leben jenseits des Vermittelten. Der Film, der ins Leben einzudringen versucht, muss wie ‚Sherlock jr.‘ immer auch ins Unauthentische eindringen und dort ‚lebendig‘ werden, wo die Gefühle und das Leben selbst in ihrer ganzen Künstlichkeit und Gemachtheit erscheinen.“ Den gesamten Text kann man hier nachlesen: https://www.perlentaucher.de/essay/die-utopie-film-alexander-horwath-ueber-das-versprechen-des-kinos.html
Mit Christophe Honorés Liebesdrama SORRY ANGEL (Kinostart: 25.10.) und Gaspar Noés diabolischem Tanzmarathon CLIMAX (6.11.) laufen in den nächsten Wochen zwei bemerkenswerte Filme mit einigen überraschenden Parallelen in den deutschen Kinos an. Nicht nur der Hang zur Grenzüberschreitung und zum betont visuellen Erzählen sowie das historische Setting der 1990er Jahre eint sie, sondern auch die von beiden Regisseuren schon mehrmals öffentlich bekundete Faszination für Fassbinder. In Honorés und Noés neuen Arbeiten drückt sie sich jeweils durch eine kleine Referenz an QUERELLE (1982) aus – einmal durch ein Poster in der Wohnung des Protagonisten, das andere Mal durch eine prominent platzierte VHS-Kassette. Einen Trailer zu SORRY ANGEL gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=uRF290gedLs Einen zu CLIMAX hier: https://www.youtube.com/watch?v=Hi69nL_VrTE
Wie sich eine neue Generation mit Fassbinders Werk auseinandersetzt, kann man im November auch im Deutschen Theater in Berlin erleben. Am 17. November wird dort noch einmal Philipp Arnolds stilisierte Inszenierung von „Tropfen auf heiße Steine“ aufgeführt (Karten dazu gibt es hier: https://www.deutschestheater.de/programm/a-z/tropfen_auf_heisse_steine/)
Am 21. November steht auch „Katzelmacher“ unter der Regie von Jessica Glause wieder auf dem Spielplan (Karten: https://www.deutschestheater.de/programm/a-z/katzelmacher/). Erstere Inszenierung wurde bei dem Nachwuchsfestival Radikal jung gezeigt, Letztere ist ein Projekt des Jungen DTs.
Noch einmal wollen wir die Ausstellung über die Kostümbildnerin Barbara Baum in Frankfurt am Main empfehlen. Zu sehen ist sie noch bis zum 10. März. Weitere Informationen dazu gibt es auf der Website des Deutschen Filmmuseums: https://deutsches-filminstitut.de/hautnah/
Eine Ausstellung im saarländischen Neunkirchen ist gerade Günter Rohrbach gewidmet. Vom 16. November bis zum 31. Januar lässt das Hüttenstadt-Museum die Karriere des großen Produzenten Revue passieren. Anlass dafür ist Rohrbachs 90. Geburtstag am 23. Oktober, zu dem wir ihm ganz herzlich gratulieren wollen.
In ihrem Grußwort schreibt RWFF-Präsidentin Juliane Maria Lorenz: „Günter Rohrbach war für Fassbinders Anfänge einer seiner wichtigsten Partner. […] Entscheidend war immer, dass Rohrbach Fassbinders Auffassung teilte, dass die Trennung zwischen Kino als Kunst und Fernsehen als bloße Unterhaltung aufgehoben werden muss, wenn man das Filmemachen und das Publikum ernstnimmt.“
Wir wünschen unseren Freunden und Lesern einen schönen November und melden uns in einem Monat wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.
Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/
Mehr zu den Theaterstücken von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/theaterstucke/ DE
Foto links: Andreas Lust und Ursina Lardi in CASTING © Arne Höhne Presse / Piffl
Foto rechts: Bernd Moss und Daniel Hoevels in „Tropfen auf heiße Steine © Viktor Reim / Deutsches Theater Berlin