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Newsletter September 2017

Seit Ende letzten Jahres geht die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Gastbeiträgen der Frage nach einem angemessenen Umgang mit dem Filmerbe nach. Nun hat auch RWFF-Präsidentin Juliane Maria Lorenz einen Text dazu verfasst, in dem sie von ihren Erfahrungen mit der Restaurierung von Fassbinder-Filmen spricht und unter anderem darauf hinweist, dass die digitale Sicherung alter Filme schon deshalb zum Problem wird, weil sich die Technologie so schnell wandelt. Die beste Langzeitsicherung seien heute immer noch Kopien auf 35mm-Material. Darüber hinaus handelt der Text auch von den Grenzen aktueller Finanzierungsstrategien und dem Wunsch nach einem neuen Fördermodell, bei dem etwa auch Sponsoren und Fernsehsender miteinbezogen würden. Und schließlich hat die RWFF-Präsidentin noch einen Vorschlag, wie man eine Art Rentenfinanzierung für das Filmerbe aufstellen könnte. Den gesamten Text kann man hier nachlesen: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/kulturerbe-kino-und-die-probleme-der-digitalisierung-15161619.html

In derselben FAZ-Reihe erschien Anfang des Jahres ein Text von Alexander Horwarth, dem langjährigen Leiter des Österreichischen Filmmuseums (nachzulesen hier: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/diskussion-um-rettung-des-filmerbes-in-deutschland-14943602.html). Unter Horwarths Leitung wandelte sich das Filmmuseum zu einer der vielseitigsten Kinematheken weltweit. Mit seinem Programm spannte er einen weiten Bogen, der vom Genrekino zum Experimentalfilm reichte. Charakteristisch war dabei seine Kompromisslosigkeit, die Filme nur auf ihrem analogen Originalmaterial vorzuführen – und nicht als digitale Kopien.

Im Herbst geht nun Horwarths Amtszeit zu Ende, und zum Abschied gibt es unter anderem eine Retrospektive, die dem amerikanischen Regisseur Todd Haynes gewidmet ist. Dass Haynes nicht nur ein Bewunderer Fassbinders und Douglas Sirks ist, sondern mit seinen selbstreflexiven Melodramen auch ihre Traditionslinie fortsetzt, davon war in unseren Newslettern schon oft zu lesen. Auf der Leinwand des Filmmuseums kann man nun (ein weiteres Mal) das Gesamtwerk von Haynes entdecken – ob es sich nun um frühe Kurzfilme handelt wie den mit Barbiepuppen realisierten THE KAREN CARPENTER STORY oder um seinen neuesten, dieses Jahr in Cannes uraufgeführten WONDERSTRUCK. Am 30. September wird der Regisseur zudem eine Masterclass halten. Das gesamte Programm findet sich hier: https://www.filmmuseum.at/jart/prj3/filmmuseum/main.jart?rel=de&content-id=1216720898687&schienen_id=1501610899342

Für immer Abschied nehmen musste die Welt am 31. Juli von Jeanne Moreau. Sie war unbestritten eine der größten Schauspielerinnen, die das europäische Kino hervorgebracht hat. Lässt man ihre Rollen Revue passieren, ist das wie ein Streifzug durch die Geschichte des Autorenkinos, vorbei an Regisseuren wie

Jacques Becker, Michelangelo Antonioni, Jacques Demy, Louis Malle, John Frankenheimer, Tony Richardson, François Truffaut – und auch Fassbinder. Im Jahr 1982 stand sie in seinem letzten Film QUERELLE vor der Kamera. Später verriet sie: „Meine Arbeit mit Fassbinder war außergewöhnlich, weil wir kaum miteinander gesprochen haben.“ Umso vielsagender war der minimalistische, auf einem Zitat von Oscar Wilde basierende Peer-Raben-Song „Each Man Kills the Thing He Loves“, den sie in QUERELLE darbietet.

Zum Altern wie auch zum Tod hatte Moreau ein positives und kämpferisches Verhältnis. 2010 sagte sie in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Ich bin in zwei Jahren 80 Jahre alt, ich drehe seit bald 60 Jahren Filme: Ich soll Angst vor dem Tod haben? Nein, mein Lieber! Der Tod, er macht mir keine Angst mehr.“ Dass sie als Schauspielerin auch im hohen Alter noch relevant war, lag an ihrer Beharrlichkeit, immer nach vorne zu blicken. Auf die Frage, ob sie der Nouvelle Vague hinterhertrauere, sagte sie im selben Gespräch: „Wenn Sie mal so alt sind wie ich, haben Sie diesen Aufschrei sicher schon 20 mal in der Zeitung gelesen: ‚Das Kino stirbt! Das Kino stirbt!‘ Das ist so langweilig, entsetzlich. In Wahrheit ist das Kino heute lebendiger, vielfältiger, engagierter, als es je war.“ Das gesamte Interview kann man hier nachlesen: http://www.sueddeutsche.de/kultur/im-gespraech-jeanne-moreau-ich-habe-mich-leidenschaftlich-ins-leben-gestuerzt-1.429474

QUERELLE, aber auch zahlreiche Filme von und mit Fassbinder kann man im Herbst in der Gallery of Modern Art (GOMA) in Brisbane sehen. Die erste große Fassbinder-Retrospektive in Australien wird in zwei Teilen stattfinden, vom 14. Oktober bis zum 15. November 2017 sowie vom 1. Juni bis zum 4. Juli des kommenden Jahres. Besonders erfreulich an der Reihe ist, dass sie wirklich jedem zugänglich gemacht wird, weil der Eintritt zu allen Vorführungen frei ist. Das Programm gibt es hier: https://www.qagoma.qld.gov.au/whats-on/cinema/programs/rainer-werner-fassbinder

Zum Abschluss wollen wir noch Hanna Schygulla gratulieren. Am 22. September wird sie beim Deutschen Schauspielerpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Mit dem Preis ehrt der Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS) „Vorbilder, die sich um die Entwicklung der Schauspielkunst verdient gemacht haben, die in besonderer Weise und nachhaltig inspirieren und sich für den deutschen Film als Kulturgut und für die Schauspielkunst einsetzen“. Mit Fassbinder hat Hanna Schygulla nicht nur bei mehreren Bühnenproduktionen zusammengearbeitet, sondern auch 20 Filme gedreht.

Wir wünschen unseren Freunden und Lesern einen schönen Herbstanfang und melden uns im Oktober wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:

http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/

Foto: VELVET GOLDMINE von Todd Haynes © Österreichisches Filmmuseum

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