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Vor 40 Jahren: RWFs WHITY

WHITY_2.serendipityThumbNeuorientierung gen Hollywood

Seine Uraufführung erfuhr Fassbinders 1970 in Almeria, Spanien gedrehte und mit 680 000 Deutsche Mark bis dato teuerste Produktion WHITY am 2. Juli 1971 auf den 21. Internationalen Filmfestspielen Berlin. Eher verhalten vom Publikum aufgenommen, fand der Film jedoch keinen Verleih. Erst in den 80er Jahren wurde WHITY vom Privatsender Pro 7 zum ersten Mal einem größeren Publikum zugänglich gemacht.

Die Handlung dieses Melodrams versetzte Fassbinder in das Jahr 1878 in den Südwesten Amerikas. Dort residiert die zerrüttete Familie Nicholson in ihrem Herrenhaus: der Gutsbesitzer Ben Nicholson (Ron Randell), seine nymphoman veranlagte zweite Frau Katherine (Katrin Schaake), die beiden Söhne aus erster Ehe, der homosexuelle Frank (Ulli Lommel) und der geisteskranke Davy (Harry Baer). Whity (Günther Kaufmann), der Diener der Familie und illegitime Sohn Bens mit der schwarzen Köchin des Hauses, leidet jedoch unter den Herrschaftsverhältnissen und findet nur in der Barsängerin Hanna (Hanna Schygulla) eine Vertraute, die er bewundert und heimlich liebt. In der Hoffnung, dass Whity die Ordnung der lähmenden Abhängigkeiten innerhalb der Familie durchbricht, animieren ihn die Mitglieder der Nicholson-Familie seinen Vater und seine Halbbrüder zu töten. Whity vollstreckt das Urteil, das die Nicholsons längst über sich selbst gesprochen haben und verlässt, vermeintlich befreit vom „herrschenden System der familiären Unterdrückung“, gemeinsam mit Hanna die Kleinstadt. Aber die Freiheit führt sie in die Wüste – eine Hommage an Josef von Sternbergs MAROKKO aus dem Jahr 1930 – wo vermutlich nur der Tod auf die Liebenden warten kann.

Für Fassbinder und das antiteater-Ensemble stellte dieser Film nicht nur eine räumliche und genreübergreifende Neuorientierung gen Hollywood dar, sondern auch eine künstlerische Entfremdung innerhalb der Gruppe. Diese musste sich nicht nur an internationale Drehverhältnisse gewöhnen,  sondern auch an die beginnende Zusammenarbeit mit Fassbinders Kameramann Michael Ballhaus, ausländische Schauspielkollegen und finanzielle Schwierigkeiten des zum ersten Mal als ausführendem Produzenten tätigen Ulli Lommel. Nichtsdestotrotz: WHITY brachte Fassbinder zu einem neuen Umgang und Bewusstsein mit dem Medium Film, was er kurz darauf in seinem zehnten Spielfilm, WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE (1970), reflektiv umzusetzen wusste. Und es führte zu weiteren Filmerfahrungen, allen voran die Auseinandersetzung mit den Melodramen Douglas Sirks, die sich dann in Film Nummer 13, HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN (1971), meisterhaft niederschlugen.

 

Mehr Informationen:
RWFF Filmografie zu WHITY

 

Foto links: Günther Kaufmann in WHITY, 1970 © RWFF
Foto rechts: Hanna Schygulla in WHITY, 1970 © RWFF

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