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Newsletter Februar 2022

Morgen eröffnet die Berlinale mit François Ozons neuem Film, einer freien Adaption von Fassbinders 1972 auch von ihm selbst verfilmtem Theaterstück „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. Vermutlich wird PETER VON KANT nicht nur in Details von der Vorlage abweichen, sondern ihr auch eine selbstreflexive Note verleihen. Immerhin wurde nicht nur die titelgebende Modeschöpferin durch einen Filmregisseur ersetzt, Hauptdarsteller Denis Ménochet erinnert im weißen Anzug auch verdächtig an RWF. In einer Nebenrolle ist außerdem Hanna Schygulla zu sehen, die bereits in der 1972er Verfilmung mitspielte. Für Ozon ist es nach TROPFEN AUF HEISSE STEINE (2000) die zweite Fassbinder-Adaption. Mehr Informationen zum Film gibt es auf der Berlinale-Website: https://www.berlinale.de/de/programm/programm/detail.html?film_id=202203414

Die Pariser Cinémathèque française zeigt vom 16. bis 23. Februar eine Retrospektive, die dem 2006 verstorbenen Filmemacher Daniel Schmid gewidmet ist. Schmid und Fassbinder lernten sich 1966 während ihrer Bewerbung an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) kennen – im Gegensatz zu RWF bekam Schmid am Ende einen Studienplatz. Während der Schweizer Regisseur in Filmen wie HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN (1972) und LILLI MARLEEN (1981) kurze Auftritte hatte, übernahm Fassbinder die Hauptrolle in Schmids SCHATTEN DER ENGEL (1976) – der wiederum auf RWFs Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ basiert. Die Cinémathèque française präsentiert zwölf von Schmids Filmen, darunter auch eine Dokumentation über den Melodramen-Meister Douglas Sirk, den auch Fassbinder verehrte. Mehr Informationen zur Reihe gibt es hier: https://www.cinematheque.fr/cycle/daniel-schmid-626.html

Am 23. Januar ist der Filmarchitekt Rolf Zehetbauer im Alter von 92 Jahren verstorben. Zu seinen aufwendigsten und bekanntesten Arbeiten zählen die beiden Wolfgang-Petersen-Filme DAS BOOT (1981) und DIE UNENDLICHE GESCHICHTE (1984). Auch sonst blieb Zehetbauer während seiner fünf Jahrzehnte umspannenden Karriere äußert umtriebig, kooperierte etwa mit weltberühmten Regisseuren wie Ingmar Bergman und Robert Aldrich, bekam einen Oscar für Bob Fosses Berlin-Musical CABARET (1972) und war auch für das Szenenbild von Fassbinder-Filmen wie DESPAIR – EINE REISE INS LICHT (1978) und QUERELLE (1982) verantwortlich.

In einem Nachruf für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt Maria Wiesner über den detailverliebten Filmarchitekten Zehetbauer: „Je komplizierter der Stoff, desto mehr Spaß bereitete ihm seine Arbeit. Dabei war es offenbar einerlei, ob er gegenwärtige Stoffe bearbeiten oder sich tief in die Vergangenheit hineinarbeiten musste, etwa […] um für Rainer Werner Fassbinders Schwarz-Weiß-Drama DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS (1982) die harten Licht- und Schattenspiele des expressionistischen Kinos mit der Einrichtungsästhetik der fünfziger Jahre zu vermählen.“ Den gesamten Artikel gibt es hier: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/rolf-zehetbauer-zum-tod-des-oscar-gewinners-und-filmarchitekten-17767908.html

Seit Weihnachten haben wir gleich mehrere bedeutende Persönlichkeiten verloren. Etwa den deutschen Weltschauspieler Hardy Krüger, der einst die Rolle des sadistischen Helmut in Fassbinders Melodram MARTHA (1974) ablehnte. Oder die meinungsstarke Ilse „Ponkie“ Kümpfel-Schliekmann, die als Filmkritikerin der Münchner Abendzeitung bekannt wurde. Ihr Metier beschrieb sie in einem Interview aus dem Jahr 2015 pragmatisch: „Die Zuschauer wollen immer entweder eine Bestätigung ihrer eigenen Meinung lesen oder sie wollen sich aufregen. Insofern ist die […] Filmkritik auch einfach nur ‚Lesestoff‘, in dem sich der Leser spiegelt.“ (Das ganze Gespräch findet sich bei Artechock: https://www.artechock.de/film/text/interview/p/ponkie_2015.html).

Zu Ponkies Vorlieben zählten auch die Filme Fassbinders. Über seinen FAUSTRECHT DER FREIHEIT (1975) schrieb sie damals: „Wo andere nur eine Erfahrung machen, macht Fassbinder einen Film. Immer mit seiner (vor-trefflichen) Stamm-Mannschaft, immer mit seiner unverhohlenen Liebe zum Trivialen, zum Volksstück mit kunstvoll simpler Naivsprache, in der Banalsätze plötzlich wie Brandzeichen dastehen.“

Auch für den am 10. Januar verstorbenen bayerischen Maler und Regisseur Herbert Achternbusch setzte sich Ponkie gerne ein. Wie Fassbinder war auch Achternbusch mit seinen anarchischen, schwer kategorisierbaren Filmen im Umkreis des Neuen Deutschen Films ein Außenseiter. Cosima Lutz, die für die „Welt“ einen schönen Nachruf verfasst hat, findet, dass Achternbuschs Werk „ebenso nah am Dokumentarischen wie am Guckkastentheater“ ist. Die vom „bloßen Kalauer bis zum buchstäblich tiefsten Abgrund reichende kosmische Absurdität“ seiner Filme misst er mit Subversionen aus. Den gesamten Nachruf kann man hier nachlesen: https://www.welt.de/kultur/kino/article236226284/Nachruf-Herbert-Achternbusch-Sein-Gespenst-erschreckte-den-Minister.html?fbclid=IwAR0KdkA4Xzh5_sICfuBTiVtO8bwDG1oMhQSIBvtZe0o64A12gb8rlxwcwBI

Unter den Schauspielern, die sowohl bei Achternbusch wie bei Fassbinder vor der Kamera standen, befand sich auch die später als Regisseurin bekannt gewordene Margarethe von Trotta. Im gerade erschienenen Buch „Gegenwärtig sein: Gespräche mit Thilo Wydra“ lässt sie ihr Leben Revue passieren, erzählt von Weggefährten wie Volker Schlöndorff und eben RWF sowie von ihrer Bewunderung für Ingmar Bergman und Alfred Hitchcock. Mehr Informationen zur Publikation gibt es auf der Seite des Kampa Verlags: https://kampaverlag.ch/margarethe-von-trotta-gegenwaertig-sein/

Damit wünschen wir unseren Lesern und Freunden eine schöne Zeit und melden uns bald wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/

Mehr zu den Theaterstücken von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/theaterstucke/

Foto links: Denis Ménochet in François Ozons PETER VON KANT © C. Bethuel / FOZ
Foto rechts: Setdesign von Rolf Zehetbauer in DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS © RWFF / Leo Weisse

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