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Newsletter Mai 2021

Am 18. April 1971 wurde der Filmverlag der Autoren ins Leben gerufen. Neben Fassbinder waren auch Peter Lilienthal, Hans W. Geißendörfer und Wim Wenders unter den 24 Gründern. Nach dem Vorbild des ebenfalls genossenschaftlich organisierten Verlags der Autoren etablierte der Verleih in der deutschen Filmindustrie ein alternatives Modell: Eine Hälfte der Einnahmen ging dabei an die Regisseure, die andere wurde beispielsweise zur Finanzierung neuer Projekte genutzt.

Anlässlich des 50. Geburtstags lässt der Deutschlandfunk die Geschichte des Verlags noch einmal Revue passieren: „Anders als die Nouvelle-Vague-Regisseure konnte sich der deutsche Filmnachwuchs nicht in eine gewachsene Filmstruktur einfügen. […] Der Filmverlag der Autoren sollte finanzielle Risiken kollektiv verteilen.“ Als Schwerpunkte galten dabei der Neue Deutsche Film, Regiedebüts sowie internationales Autorenkino.

Den Grund für die notorische Unterfinanzierung des seit 1999 zur Kinowelt-Gruppe (heute: Studiocanal) gehörenden Verleihs sieht der Filmkritiker Fritz Göttler im Text vor allem in äußeren Umständen: „Die Grundidee war natürlich gut, aber sie hätte nur funktionieren können, wenn wir wirklich eine gesunde Filmwirtschaft gehabt hätten.“ Den gesamten Text kann man hier nachlesen:
https://bit.ly/3xV4FIV

Ein Jahr vor der Gründung des Filmverlags der Autoren wühlte Michael Verhoeven mit O.K. (1970) die Berlinale auf. Der Film basiert auf einem als „Zwischenfall auf Hügel 192“ bekannten Kriegsverbrechen, das Verhoeven mit bayerischem Dialekt und selbstreflexiver Ebene nachinszenierte. Vor der Kamera ist auch die damals 15-jährige Eva Mattes zu sehen, die später noch in mehreren Filmen Fassbinders mitspielen sollte.

Besonders dem damaligen Jurypräsidenten George Stevens stieß der Film als antiamerikanisch auf. Seine Versuche, O.K. aus dem Wettbewerb entfernen zu lassen, sorgten wiederum für Widerstand von Kollege Dušan Makavejev, der schließlich an die Öffentlichkeit ging. Noch bevor die Jury zwei Tage vor dem offiziellen Ende des Festivals zurücktrat, zogen zahlreiche Regisseure ihre Filme aus Protest zurück – unter ihnen auch Fassbinder mit WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? (1970). Gerade ist O.K. in der Edition Filmmuseum zum ersten Mal auf DVD erschienen und kann auf der Seite des Labels erworben werden: https://bit.ly/3exSfim

In der Arte-Mediathek ist aktuell Bertrand Mandicos filmischer Fiebertraum THE WILD BOYS (2017) zu sehen. Fünf gewalttätige Jungen landen darin auf einer mysteriösen, von seltsamen Pflanzen bevölkerten Insel, die die Sinne berauscht und Körper mutieren lässt. Der Film ist vollgepackt mit fantasievoll verwobenen Referenzen. Die Handlung erinnert an William Goldings „Herr der Fliegen“ und Anthony Burgess’ „Uhrwerk Orange“, der Look an Arbeiten queerer Underground-Pioniere wie Kenneth Anger, Jean Genet und James Bidgood. Auch Fassbinders QUERELLE (1982) mit seiner Studioästhetik und düsteren Matrosenromantik nennt Mandico als Einfluss. Noch bis zum 19. Juli ist der Film online verfügbar: https://bit.ly/3o7PWWA

Am 25. April gab es ein Online-Symposium zur verhinderten Uraufführung von Fassbinders Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ im Jahr 1985. Wegen der von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde als antisemitisch empfundenen Figur des „reichen Juden“ wurde damals die Bühne des Schauspiel Frankfurt besetzt. Judith von Sternburg fasst einige der Vorträge in der Frankfurter Rundschau zusammen: https://bit.ly/3bkLrCy

Für die Autorin war die Veranstaltung ein „Beispiel dafür, wie wichtig und lohnend, aber auch schwierig und weiterhin geradezu unmöglich“ es sei, über Stück und Protest noch mal ins Gespräch zu kommen. „Denn einerseits kommt vieles auf den Tisch, am historischen Ort des Geschehens, den Kammerspielen. Andererseits kommt es doch eher nacheinander auf den Tisch.“ Wer sich selbst ein Bild machen will, kann sich sämtliche Vorträge auf YouTube ansehen: https://bit.ly/3y5Gbga

Freuen kann man sich schon einmal auf den 10. September. Dann nämlich eröffnet die wegen Corona bereits zweimal verschobene Ausstellung „Methode Rainer Werner Fassbinder. Eine Retrospektive“ in der Bundeskunsthalle in Bonn. Die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filminstitut & Filmmuseum (DFF) sowie der Fassbinder Foundation entstandene Schau bietet ein „umfassendes Porträt des großen deutschen Filmemachers“ und versucht seine Arbeit „anschaulich mit der damaligen deutschen Lebensrealität“ zu verknüpfen.

In der FAZ hat Eva-Maria Magel mit den Kuratoren Isabelle Bastian und Hans-Peter Reichmann über die Vorbereitungen gesprochen (zum Artikel geht es hier: https://bit.ly/3eBJq7i). Aus Fassbinders Nachlass, der 2018 als Dauerleihgabe an das DFF gegangen ist, wird einiges in Bonn zu sehen sein „Faksimiles zum Durchblättern, […] Filmausschnitte[…], Interviews, Fotos, Erinnerungen.“ Die Ausstellung wird bis zum 6. März 2022 laufen und endet damit kurz vor Fassbinders 40. Todestag am 10. Juni. Mehr Informationen zur Ausstellung gibt es hier: https://bit.ly/3hgWwbH

Noch eine Bitte in eigener Sache: Die Fassbinder Foundation ist auf der Suche nach einem*r Mitarbeiter*in der kaufmännischen Administration. Die Stelle soll zum September 2021 besetzt werden, das entsprechende Gesuch findet sich hier: https://bit.ly/3feg8um Eine Weiterleitung an geeignete Stellen und Bewerber ist ausdrücklich erwünscht.   

Wir wünschen unseren Lesern und Freunden entspannte Pfingstfeiertage, blicken hoffnungsvoll auf den nahenden Sommer und melden uns bald wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/

Mehr zu den Theaterstücken von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/theaterstucke/

Foto links: Michael Verhoevens O.K. © Edition Filmmuseum
Foto rechts: Bertrand Mandicos THE WILD BOYS © Ecce Films

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