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Newsletter Juni 2017

Ein weiteres Mal jährten sich gerade der Geburts- (31. Mai) und der Todestag (10. Juni) von Rainer Werner Fassbinder. Und auch wenn es diesmal kein runder Jahrestag war, wird man doch ständig an Fassbinder erinnert – nicht nur im Rückblick auf sein Schaffen, sondern auch, weil es immer noch zahlreiche Künstler gibt, die man als Gleichgesinnte bezeichnen kann oder die direkt von ihm beeinflusst wurden.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die unter anderem von der Fassbinder Foundation geförderte Bühnenproduktion „Fassbinder, Faust and the Animists“. Der belgische Performer und Choreograf Michael Laub beschäftigt sich darin mit WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE. Das Programmheft verspricht, dass Laub den Film mit Goethes „Faust“ und Elementen des Animismus kontrastiere. „Vermeintlich Disparates umkreist dabei in großen Gruppenszenen und porträthaft aufblitzenden Soli zentrale Fragen des Films und des Goetheschen Klassikers: Das Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe, Dynamiken der Gemeinschaftsbildung und die teils tragikomische Suche nach sinnhafter Erkenntnis in einer säkularisierten Gesellschaft.“ Sehen kann man die Inszenierung am 28. und 30. Juni sowie am 1. und 2. Juli im Berliner HAU (Karten gibt es hier: http://www.hebbel-am-ufer.de/programm/programm/alphabetisch/laub-remote-fassbinder/). Außerdem läuft sie noch am 14., 16. und 17. Juli beim Wiener Festival Impulstanz (Karten gibt es hier: https://www.impulstanz.com/performances/2017/id1121/).

Ein Regisseur, der sich schon seit längerer Zeit regelmäßig auf die Filmgeschichte im Allgemeinen und Fassbinder im Besonderen bezieht, ist der Amerikaner Todd Haynes. Gerade hat er im Wettbewerb von Cannes seine neueste Arbeit WONDERSTRUCK vorgestellt, in der er erneut geschickt mit Filmzitaten und der Ästhetik vergangener Zeiten spielt. Die Verfilmung des gleichnamigen Jugendbuchs von Brian Selznick erzählt die Geschichte von zwei gehörlosen Kindern, die in unterschiedlichen Jahrzehnten leben, aber auf mysteriöse Weise miteinander verbunden sind. Haynes inszeniert seine Adaption streckenweise wie einen Stummfilm und entlarvt den Erzählkosmos mit Puppen und Miniaturmodellen als Konstrukt. Dass dies Teil einer Strategie ist, die in einer bestimmten filmhistorischen Tradition steht, veranschaulicht ein Auszug aus Johannes Binottos Text „Mit doppeltem Boden – Fassbinders Happy Ends und Hollywoods Hoffnung“:

„Wie unlängst auch der US-amerikanische Filmemacher Todd Haynes in einem Interview mit Robert Fischer betont hat, glaubt Fassbinder offensichtlich nicht daran, dass sich innerhalb der Artifizialität des Mediums Film Wahrheit einfach aussprechen lasse. Vielmehr kann der Film schlechterdings nicht anders, als die Dinge zu verfälschen und unweigerlich zu verfehlen. Umso ehrlicher ist der Film indes dort, wo er diese seine eigene, notwendige Künstlichkeit offenbart.“ (den gesamten Text gibt es hier: https://www.etk-muenchen.de/search/Details.aspx?ISBN=9783869164366) WONDERSTRUCK funktioniert zwar auf dieser Metaebene, triumphiert aber zugleich auch als klassisches Melodram. Der von Amazon produzierte Film wird voraussichtlich Ende des Jahres in den europäischen und US-amerikanischen Kinos starten.

Das Filmfest München, das vom 22. Juni bis zum 6. Juli stattfinden wird, zeigt dieses Jahr eine Reihe mit Filmen von Reinhard Hauff. Angefangen hat der deutsche Regisseur mit populären Fernsehformaten, bevor er mit gesellschaftskritischen Arbeiten zu den bekannteren Vertretern des Neuen Deutschen Films wurde. Neben Werken wie MESSER IM KOPF, DIE VERROHUNG DES FRANZ BLUM und STAMMHEIM – mit dem er 1986 den Goldenen Bären gewann – steht in München auch MATHIAS KNEISSL auf dem Programm. An der wahren Geschichte des bayerischen Räubers, der sich mit der Staatsgewalt anlegt, interessiert Hauff vor allem, wie sehr der aus verarmten Verhältnissen stammende Titelheld ein Opfer äußerer Umstände ist. Die Besetzung liest sich wie ein Fassbinder’sches Klassentreffen: RWF, Hanna Schygulla, Irm Hermann und Kurt Raab stehen vor der Kamera, Peer Raben hat die Musik beigesteuert und Barbara Baum die Kostüme. Gezeigt wird der Film am 28. Juni um 20:00 Uhr im Filmmuseum. Tickets gibt es ab 12. Juni hier: http://www.filmfest-muenchen.de/de/programm/filme/film/?id=5317

Zum Abschluss noch eine Ausstellungsempfehlung für Venedig. Parallel zur Kunst-Biennale zeigt die Fondazione Prada eine multimediale Gemeinschaftsarbeit von Regisseur Alexander Kluge, Fotograf Thomas Demand und Bühnenbildnerin Anna Viebrock. Im Zentrum der Schau steht das Motiv des Schiffbruchs. Michael Diers schreibt über die Ausstellung in der „Zeit“: „Beinahe unbemerkt verwandeln sich die Besucher in Kinogänger, in Museumsbesucher oder in Leser, in Menschen, die sich auf Korridoren begegnen, Türklinken in die Hand geben, gemeinsam an Schaufenstern vorbeistreifen, auf Zirkustrommeln sitzen, vor einem Stundenhotel oder einer geschlossenen Bar oder aber auf einer kleinen Bühne stehen, um sich einen Interviewfilm mit Helge Schneider als Terroristenführer anzusehen.“ Einer von Kluges Filmen, die dort ebenfalls laufen, trägt den Titel A MESSAGE FROM AN UNPUBLISHED SCENE IN A FILM BY R.W. FASSBINDER und basiert auf einem Interview, das Fassbinder mit einem Arbeiter führte. Die Ausstellung „The Boat is Leaking. The Captain Lied.“ ist noch bis zum 26. November zu sehen. Mehr Informationen gibt es hier: http://www.fondazioneprada.org/project/the-boat-is-leaking-the-captain-lied/?lang=en EN

Wir wünschen unseren Lesern und Freunden einen inspirierenden Juni und melden uns in einem Monat wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.

 

Foto rechts: Szene aus „Fassbinder, Faust and the Animists“ © Martin Langer

Foto links: Juliane Moore in Todd Haynes‘ WONDERSTRUCK © Amazon Studios

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