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Newsletter April 2021

Eigentlich hatten sich das Pariser Théâtre du Rond-Point und sein Publikum auf einen Frühling gefreut, bei dem nicht nur die Knospen sprießen, sondern auch die Bühnen wieder öffnen. Falk Richters Stück „Je suis Fassbinder“ hätte dort etwa in der Inszenierung von Stanislas Nordey ab dem 5. April noch einmal für drei Wochen laufen sollen. Aber auch die französische Hauptstadt leidet momentan wieder unter steigenden Corona-Neuinfektionen und musste die geplanten Aufführungen deshalb absagen. Wir drücken die Daumen, dass die ausgefallenen Vorstellungen möglichst bald nachgeholt werden können. Über den aktuellen Stand informiert die Website des Theaters: https://www.theatredurondpoint.fr/

Ein wenig gedulden muss man sich auch noch in Berlin, wo das Zeughauskino nach seiner Wiedereröffnung eine Retrospektive mit Regiearbeiten des 2017 verstorbenen Ulli Lommel zeigen wird. Nach einer kurzen Starkarriere im deutschen Mainstreamkino der 1960er Jahre spielte Lommel in mehreren von Fassbinders Filmen – unter ihnen etwa LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (1969) und WHITY (1971) – mit. Ab 1971 stand er selbst hinter der Kamera. Frühe Filme wie DIE ZÄRTLICHKEIT DER WÖLFE (1973) und ADOLF UND MARLENE (1977) wurden von Fassbinder produziert.

Nachdem Lommel in die USA übersiedelte, drehte er in atemberaubendem Tempo eine Vielzahl meist niedrig budgetierter Genre- und Exploitationfilme, die im neuen Jahrtausend überwiegend nur noch auf dem Videomarkt erschienen. Zu seinen bekanntesten Regiearbeiten zählen der übersinnliche Horrorfilm THE BOOGEY MAN (1980), das mit Musiker Richard Hell und Andy Warhol prominent besetzte Punk-Drama BLANK GENERATION (1980) sowie der mit Castingshow-Teilnehmer Daniel Küblböck gedrehte DANIEL, DER ZAUBERER (2004). Die Berliner Retrospektive vereint „Highlights aus fast allen Schaffensphasen des Regisseurs“, viele davon werden als „rare Analogkopien und deutsche Kinopremieren“ präsentiert. Mehr Informationen zur Reihe gibt es hier: https://www.dhm.de/zeughauskino/filmreihe/ulli-lommel/

Einen großen Verlust für das europäische Kino stellt der Tod des bis zuletzt ungebrochen produktiven Drehbuchautors Jean-Claude Carrière dar. Er arbeitete mit Regisseuren wie Louis Malle, Andrzej Wajda, Marco Ferreri, Jean-Luc Godard und immer wieder Luis Buñuel zusammen. Die sechs Kooperationen mit Buñuel bezeichnet Fritz Göttler in seinem Nachruf als „von einer freien Fantasie gezeugt, subversiv, ikonoklastisch, lustvoll“, die Filme mit Volker Schlöndorff als „auf eine magische Weise offen und ungemein poetisch“. Den gesamten Nachruf kann man hier nachlesen: https://www.sueddeutsche.de/kultur/carriere-kino-nachruf-1.5200881

Carrière war zudem 13 Jahre mit Schauspielerin Hanna Schygulla liiert, schrieb für mehrere ihrer Filme die Drehbücher und verfasste Texte für ihre Chansons. Noch bis Ende August steht mit Philippe Garrels LIEBHABER FÜR EINEN TAG (2017) eine der letzten Arbeiten Carrières in der Arte-Mediathek: https://www.arte.tv/de/videos/083238-000-A/liebhaber-fuer-einen-tag/ (DE)
https://www.arte.tv/fr/videos/083238-000-A/l-amant-d-un-jour/ (FR)

Am 12. Dezember feierte Jürgen Jürges seinen 80. Geburtstag, zu dem wir ihm nachträglich ganz herzlich gratulieren möchten. Bei vier Filmen Fassbinders – unter ihnen ANGST ESSEN SEELE AUF (1974) und SATANSBRATEN (1976) – war er für die Kamera verantwortlich. Danach arbeitete er unter anderem mit Roland Klick, Andreas Kleinert, Michael Haneke und Wim Wenders zusammen. Erst im letzten Jahr wurde er auf der Berlinale für seine Arbeit an Ilya Chrschanowskis umstrittenem DAU-Projekt ausgezeichnet.

Im Interview mit dem Filmdienst verrät Jürges, was für ihn beim Drehen am wichtigsten ist: Licht. „Es ist das Mittel, wovon die wenigsten überhaupt etwas bemerken. […] Das war bei Fassbinder so: Der hat alles festgelegt, aber beim Licht […] hatte ich meinen Spielraum.“ Den Umgang mit unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnissen bezeichnet Jürges als „spannendes Rätsel, das stets aufs Neue zu lösen ist“. Das gesamte Gespräch kann man hier nachlesen: https://www.filmdienst.de/artikel/45436/portrat-jurgen-jurges

Um die Zeit zur Wiedereröffnung der Kinos zu überbrücken, möchten wir noch eine Streaming-Empfehlung aussprechen: Bei Amazon Prime ist mittlerweile eine größere Auswahl von Fassbinders Filmen verfügbar. Für jeweils 3,99 Euro kann man sich dort Klassiker wie HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN (1972) und MARTHA (1974) ebenso ansehen wie die weniger bekannten Produktionen DIE NIKLASHAUSER FART (1971) und ANGST VOR DER ANGST (1975) sowie Christian Braad Thomsens Dokumentarfilm FASSBINDER – LIEBEN OHNE ZU FORDERN (2015). Eine Übersicht aller verfügbaren Titel gibt es hier: https://www.amazon.de/gp/video/search/ref=atv_dp_pd_dir?phrase=Rainer%20Werner%20Fassbinder&ie=UTF8

Wir wünschen unseren Lesern und Freunden schöne Ostern, beste Gesundheit sowie zeitnahe Lockerungen und melden uns bald wieder mit Neuigkeiten rund um Rainer Werner Fassbinder.

Mehr zu den Filmen von Rainer Werner Fassbinder:
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/ (DE)
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/?lang=en (EN)
http://www.fassbinderfoundation.de/filme-von-fassbinder/?lang=fr (FR)

Foto links: Barbara Valentin und El Hedi Ben Salem in ANGST ESSEN SEELE AUF © RWFF
Foto rechts: Ulli Lommel und Rainer Werner Fassbinder in LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD © RWFF

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