Filme von Rainer Werner Fassbinder

Ich will doch nur, dass ihr mich liebt

Dieser Film erzählt die Geschichte von einem, der mit dem Leben nicht fertig wurde, weil die Regeln, die er sich angewöhnt hatte, zum Überleben nicht taugten, und weil die Bedürfnisse, die er anmeldete, von dieser Welt nicht zur Kenntnis genommen wurden, geschweige denn, dass sie befriedigt worden wären. Als Peter (Vitus Zeplichal), so heißt die Hauptfigur dieses Films, an einem Punkt angekommen ist, wo er nicht mehr weiter weiß, wo er keinen Boden mehr unter den Füßen hat, wo alles in Frage gestellt ist, was er bisher für richtig hielt, dreht er durch: er begeht einen Mord von jener Art, von denen es später heißen wird, dass er sinnlos gewesen sei. In der Tat: Peter hat auf die Sinnlosigkeit, die er beim Leben empfindet, durch eine ebenbürtige Sinnlosigkeit aufmerksam gemacht – jetzt ist es an anderen, sich um das weitere zu kümmern. Das tun sie: Wegen Totschlags im Affekt wird Peter zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, ganz so, als ob er dadurch klüger werden würde.

Sein Leben vor der Tat hat Peter verbracht mit unaufhörlichen, unbezwingbaren, unbelehrbaren Versuchen, die Liebe derer zu gewinnen, auf die es ihm ankommt. Viel zu bieten hatte er freilich nicht dabei, und so geriet ihm die Beziehung zu anderen Menschen schnell zum anstrengenden Kampf. Wenn es um die Liebe der Eltern (Erni Mangold und Alexander Allerson) ging, hatte Peter das Gefühl, er müsste laut „hier“ schreien, um auf seine Person aufmerksam zu machen, die so leicht übersehen wurde. Er gewöhnte sich an, der Mutter Blumen zu schenken, regelmäßig, um nur ja mit der gleichen Regelmäßigkeit ihren Dank zu spüren. Die Wiederholung des Schenkens machte das Schenken als die Bestechung kenntlich, die es eigentlich auch war, der Dank wurde so mechanisch, wie es auch die Geschenke waren. Peter baute seinen Eltern ein Haus; er hatte Maurer gelernt, er arbeitete als Maurer, was lag näher, als dass er seinen Eltern an den Sonntagen, an denen er nicht auf fremden Baustellen arbeitete, ein Haus baute. Peter war glücklich während dieser Zeit, seine Eltern waren glücklich über das Haus, wenige Wochen nach dem Richtfest war die Sache vergessen, der Tausch Haus gegen Liebe hatte geklappt, aber das Geschäft war auch abgeschlossen. Peter heiratet eine Jugendfreundin (Elke Aberle) und zieht überstürzt weg von den Eltern, in die Großstadt: Er will ihnen zeigen, zu was er fähig ist, er will sich auf eigene Füße stellen, er macht sich unabhängig von denen, die ihn nicht für seine Unterwerfung geliebt haben. In der Großstadt gerät Peter in Schwierigkeiten. Er muss eine Wohnung einrichten, eine Frau ernähren, bald auch ein Kind – das hat er nicht gelernt, und hier passen auch die Konzepte nicht, die er gelernt hat. Kein Arbeitgeber liebt ihn mehr, bloß weil er anständige Arbeit abliefert, und jedenfalls zahlt er ihm nicht mehr. Und seiner Frau, deren Liebe er doch jetzt nötiger braucht als er je eine gebraucht hat, versucht er mit den gleichen Mitteln zu danken, an die er sich zeit seines Lebens gewöhnt hat: Peter wird es schon schaffen, Peter sorgt für alles, nur keine Angst. Aber Peter selbst hat Angst, er schafft es nicht, und als er sieht, dass er es mit dem Einzigen, was er gelernt hat, mit seiner Hände Arbeit, tatsächlich nicht schaffen wird, macht er seinem Leben ein Ende, indem er einem anderen Leben ein Ende macht.

Weltvertrieb
Bavaria Media

Verleih (D)
Bavaria Media

Produktionsjahr
1975/76
Regie
Rainer Werner Fassbinder
Buch
Rainer Werner Fassbinder, nach einer wahren Geschichte aus dem Buch Lebenslänglich – Protokolle aus der Haft von Klaus Antes und Christiane Ehrhardt
Kamera
Michael Ballhaus
Musik
Peer Raben
Schnitt
Liesgret Schmitt-Klink
Ausstattung
Kurt Raab
Besetzung
Vitus Zeplichal (Peter) Elke Aberle (Erika) Alexander Allerson (Vater) Ernie Mangold (Mutter) Johanna Hofer (Großmutter) Katharina Buchhammer (Olga) Wolfgang Hess (Bauleiter) Armin Meier (Polier) Erika Runge (Interviewerin) Ulrich Radke (Erikas Vater) Annemarie Wendl (Erikas Mutter) Janos Gönczöl (Wirt) Edith Volkmann (Wirtin) Robert Naegele (Gerichtsvollzieher) Axel Ganz (Hausmeister) Inge Schulz (Frau Emmerich) Peer Raben (Möbelverkäufer) Helga Bender (Verkäuferin in der Boutique) Adi Gruber (Postbeamter) Sonja Neudorfer (Schmuckverkäuferin) Ingrid Caven (Nähmaschinenverkäuferin) Hannes Kaetner (Bauunternehmer) Lilo Pempeit (Frau im Postamt) Dieter Schidor (junger Mann in der Kneipe)
Produktion
Bavaria Atelier (im Auftrag des WDR)
Format
16 mm, Farbe, 104 min.